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„Mehr Massel als Brassel“

Buchtitel-MasematteEin „Geheimsprachen-Abend" beim KKV Hansa Münster mit Marion Lohoff-Börger

Das Wort ‚Masematte‘ bedeutet so viel wie ‚Handel‘ und damit war Frau Lohoff-Börger bei einem Kaufmannsverein thematisch gut aufgehoben. Zu Anfang ihrer Lesung gab sie einen kurzen Abriss über die historische Entstehung dieses sprachlichen Phänomens, das uns in Münster auf Schritt und Tritt begleitet. „Wer ‚jovel‘ oder ‚schovel‘ sagt, kommt aus Münster“, so die Referentin. Beide Wörter entstammen dem Jiddischen, der hauptsächlichen Zuliefersprache. Heute haben einige Wörter aus der Masematte ihren festen Platz in der Umgangssprache der münsterschen Bürger gefunden.

‚Die‘ Masematte als Sprache mit einem Vokabular, das schriftlich festgehalten ist, gibt es nicht. Masematte ist eher eine Wortsammlung ursprünglich geheimer Natur mit vielen Variationsmöglichkeiten. So kennt man für ‚Polizei‘ zehn Wörter, für ‚Geld‘ sogar elf; erstaunlich, da insgesamt nur etwa 600 Wörter bekannt sind. Vielfach wurde Masematte von Menschen am Rande der Gesellschaft gesprochen und lässt sich einzelnen Stadtvierteln zuordnen. Verbreitet war es zum Beispiel im Herz-Jesu-Viertel, in Pluggendorf, im Kuhviertel, im Gebiet der Sonnenstraße sowie im Umfeld von ‚Tasche, Brink und Ribbergasse‘.

Die Herkunft der Wörter lässt sich etwa so aufgliedern: Aus dem Jiddischen kommen ca. 50%, aus dem Rotwelsch und Romanes (Sprache der Sinti und Roma) je 20%. Die restlichen 10% lassen sich aus dem Plattdeutschen, sowie aus romanischen oder slawischen Sprachen ableiten.

Die Zeit der gesprochenen Masematte in Münster ging mit dem Holocaust und dem 2. Weltkrieg zu Ende. Daran erinnerte die Autorin eindrucksvoll mit ihrem Gedicht „Beseibelter Jif“ (Schmutziger Schnee) zum Tag der Deportation jüdischer Bürger aus Münster, dem 13. Dezember 1941. An der Sammelstelle Gertrudenhof begann die Vertreibung, die größtenteils mit der Ermordung endete.

Zuhoerer-Masematte

Marion Lohoff-Börger kann sich nicht als ‚Native Speaker‘ dieser münsterspezifischen Geheimsprache ausweisen; sie stammt aus Borghorst und hat erst mit ihrem Studium für das Lehramt an Grundschulen in Münster ihre Vorliebe für Masematte entdeckt. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Töchtern seit 1985 in Münster und hat drei Bücher zum Thema Masematte geschrieben sowie ein Musical ‚Argula von Grumbach – Mutter Courage der Reformation‘. Eine besondere Vorliebe hat sie für Lyrik entwickelt. Auf der Schreibmaschine tippt sie ihre Gedichte, die vom Umfang her auf eine Postkarte passen und verschickt werden können. Sie besitzt mittlerweile eine umfangreiche Sammlung alter Schreibmaschinen, die sie auch für Lyrik-Workshops einsetzt (s. schreibmaschinenlyrik.de).

Im Hansahof präsentierte Frau Lohoff-Börger eine Auswahl ihrer Geschichten in Masematte. Der Jahreszeit entsprechend ging es um die „hamel vielen Latüchten“, die zum Advent in die Bäume gehängt werden. Um den „schoflen Juchelo und die sieben Issenkoten“ und schließlich um die Weihnachtsgeschichte, die mit Masematte-Vokabular nun doch sehr anders klang, aber natürlich als Geschichte von dem Kind in der Krippe wiedererkannt wurde.

Der Osnik schmuste (die Uhr zeigte), dass der Abend schnell und kurzweilig vergangen war und Marion Lohoff-Börger sich einen lebhaften Applaus verdient hatte. Im Anschluss gab es noch die Möglichkeit, ihre Bücher zu erwerben und signieren zu lassen.

Emmes! War jovel!

Wilhelm Gruber


Die Titel ihrer Bücher:

So ist das Leben – schreibmaschinenlyrik, agenda Verlag, Münster 2019
Mehr Massel als Brassel. Endlich Masematte verstehen und einen toften Lenz hegen! agenda Verlag, Münster 2019
Die vier Schallermänner. Die Bremer Stadtmusikanten auf münsterscher Masematte, agenda Verlag, Münster 2019